KI im Videoschnitt: Automatisierung, Grenzen und Ausblick

Ein Gespräch mit Georg Roch
Es gibt Momente im Schneideraum, in denen alles plötzlich stimmt: der Schnitt fällt genau auf den Beat, ein Blick sagt mehr als ein ganzer Dialog, die Emotion kippt, weil zwei Bilder sich an der richtigen Stelle berühren. Kann Künstliche Intelligenz so etwas?
„Noch nicht“, sagt Georg, Geschäftsführer bei FILMFLUT. Georg ist außerhalb seiner Rolle bei FILMFLUT auch Consultant und Tech-Advokat, der kleine und mittlere Unternehmen beim Einsatz von KI begleitet. Er vertritt eine positive Perspektive, mit dem Blick dafür, wo Technologie heute schon Freiräume schafft und wie sie Kreativen neue Möglichkeiten eröffnet.
„KI hat in vielen Marketing-Workflows längst Einzug gehalten. Aber beim Filmschnitt? Da unterscheiden wir klar zwischen Routinearbeit und künstlerischer Montage. Das reine Clippen funktioniert schon erstaunlich gut. Alles, was mit Bildgestaltung, Farbe, Emotion zu tun hat – das bleibt menschlich.“
Clipping im Sekundentakt
Wer heute Twitch streamt oder dreistündige Interviews aufnimmt, kennt das Problem: zu viel Material, zu wenig Zeit. KI-Tools lösen das inzwischen mit fast beiläufiger Eleganz.
„Ich bekomme nach einem Livestream automatisch hundert Clip-Vorschläge. Fünfzehn davon poste ich später als Shorts oder TikToks, das geht auch komplett automatisiert. Das ist großartig.“
Die meisten Systeme arbeiten über Transkripte. Sie erkennen Schlagworte, markieren Höhepunkte und spucken semantische Vorschläge aus. Doch die visuelle Ebene, Blickachsen, Spannungsaufbau, Rhythmus, bleibt außen vor. Der Unterschied zwischen einem brauchbaren Rohschnitt und einem Film, der berührt, liegt genau dort.
“Das höchste der Gefühle ist die Erkennung von Gesichtern, um sie im Frame zu positionieren. Weiter ist das noch nicht.”

Mikrowerkzeuge, die tatsächlich helfen
Adobe & Co. liefern inzwischen kleine, aber wirksame Features: ein Clipende lässt sich generativ um einige Frames verlängern, wenn der Musik-Hit zu spät kommt; wackelige Videos stabilisieren sich auf Knopfdruck.
„Das digitale Erweitern von Videoclips ist irre“, sagt Georg. „Man spart sich teure Nachdrehs. Und ja klar, auch Deepfake-Technologien sind längst da, mit allen Chancen und Risiken.“
Cutter:innen bleiben Kurator:innen
Wird also bald niemand mehr am Schnittplatz gebraucht? Georg widerspricht: „Je mehr Routine KI übernimmt, desto stärker zählt das, was Menschen besser können: Emotionen, Gefühl, die Kuration von Momenten.“
Ein Recruitingfilm etwa verlangt nicht einfach nach den bestbewerteten O-Tönen. Er lebt von den Zwischennuancen: einem kurzen Lachen, einem Blick zur Seite, einer spontanen Geste. KI liefert Vorschläge, doch Dramaturgie entsteht am Ende durch komplizierte Zusammenhänge vieler Faktoren.
„Wir sprechen ja gerade darüber, dass KI schon viel kann, aber um ehrlich zu sein, darf auch nicht unterschätzt werden, dass mit fähigeren Tools auch das Basislevel so angehoben wird, dass Menschen ohne stetige Fortbildung, Erfahrung und Skill kaum hinterherkommen - dem Druck vieler Produktionen und hoher Erwartungen trotzen, das vereinfacht und erschwert Tech.“

Die Zukunft: Prompt, Test, Iterate
Was kommt als Nächstes? Georg hat eine Idee: „Am Ende beschreibt man, was man gerne hätte und bekommt es? Sicherlich, aber das wird noch dauern. Wenn ich mir anschaue, wie viele Best-Practices die zugänglich sind, noch nicht überall in der Umsetzung angelangt sind… Aber eines ist sicher: Statt eines Films testet man 40 oder vielleicht sogar 4000 Varianten gegeneinander.“
Die Konsequenz: Cutter:innen werden zu Creative Directors, die orchestrieren, welche Hooks, Längen und Calls-to-Action wo getestet werden. “Budgets fließen nicht mehr in die perfekte Version, sondern in die Vielzahl von Iterationen. Performance schlägt Perfektion. Das ist allerdings ein Konflikt, der ausgetragen werden muss. Auch bei uns intern gibt es dazu schon eine Vielzahl von Meinungen.”
Fazit
KI beschleunigt den Filmschnitt an einigen, aktuell eher wenigen, Stellen, aber sie ersetzt nicht die kreative Essenz. Clippen, Stabilisieren? Exzellent. Emotion, Dramaturgie, Plattform-Verständnis, Iterationen? Nein.
“Die Branche bewegt sich Richtung datengetriebenes Testen. Ich wünsche mir aber häufig, dass wir da mehr hin kommen und sehe, dass der Weg noch lang ist. Trotz rasanter Entwicklung bei AI.” Doch wer die richtigen Fragen stellt, die relevanten Momente kuratiert und klare Leitplanken setzt, gewinnt.
Wer sich hierzu austauschen möchte oder im eigenen Marketing optimierungspotential sieht, findet bei FILMFLUT Unterstützung, von Strategie über Tooling bis zur Umsetzung.